Nachruf an Thal und Quell der Alme
Weilend auf der Tinnenspitze
Schaute ich mit frohem Sinn,
Dort von meinem Felsensitze
Auf das Thal der Alme hin.
Seh auch dann von hoher Warte
Weithin in das Sauerland,
Das gleich bunter Länderkarte
Zaub’risch schuf einst Gottes-Hand.
Manche Gegend ich gesehen,
Die bespült der Vater Rhein,
Doch fürwahr, ich muß gestehen,
Dort weilt Schönheit nicht allein.
Rechts seh ich hier Felsengründe,
Zwischen Felsen Buchen grün,
Spalten, Schluchten ohne Ende,
Zacken spitz, recht schroff und kühn,
Links auf Bergen Fichtenwälder
Und die Eich` in schönster Pracht,
Dort im Tale üpp’ge Felder,
Die der Fleiß des Landmanns schafft.
Eichen, Eure Wipfel waren
Einst der Deutschen Gotteshaus,
Die in grauer Vorzeit-Jahren
Dort Gebete sprachen aus.
Freie Männer, tapfre Krieger
Weilten auch im grünen Dom,
Wenn sie kehrten heim als Sieger
Nie besiegt vom stolzen Rom.
Und auch jetzt pflanzt deutsche Sitte
Hier noch fort im alt` Geschlecht,
Dessen Schloß in Tales Mitte
Nennt Alme man mit Recht.
Lieblich schön versetzt heißt Alme,
Ist des Schlosses treffend Bild.
Rittersaal gleicht der Walhalla,
Wo prangt Sitte hehr und mild.
Und im Schlosshof Hirsche deuten
In den Wäldern Rehe frei,
Auf die guten alten Zeiten
Für die frohe Jägerei.
Doch von grauer Vorzeit Schnelle
Ziehet hin zur Gegenwart
Das Gemurmel einer Quelle,
Die auch bald mein Blick gewahrt.
Drunten tief am Tinnensteine
Sprudelt mächtig sie hervor,
Und im schönsten Silberscheine
Tanzt der Wellen muntrer Chor.
Und vereint mit diesen Wellen
Hüpfen über Felsen hin
Schnell und munter die Forellen,
Sie, des Fischers Hochgewinn.
Sinnend saß ich lang und lauschte
Gern der Quelle Murmel Ton,
Deren Wasser munter rauschte
Einen sich zum wahrsten Strom.
Schönes Flüsschen, holde Alme,
Stürmest munter silberhell,
Tränkest Wiesen, nährest Halme
Aus dem unentwegten Quell.
Glänzend fließest Du nun weiter
Schlängelnd übern Felsenpfad,
Deine Wellen tanzen heiter,
Treiben manches Mühlenrad.
Und es saugen meine Blicke
Dieser Gegend Zauber ein,
Doch des Scheidens streng Geschicke
Rief mich fort vom Tinnenstein.
Jetzt weil ich in weiter Ferne
Hollands Ebne zugewandt.
Doch Gedanken eilen gerne
Nach dem schönen Sauerland.
Grün die Berge dann ich schaue,
Schwarz bemoost die Felsen da,
Weiß die Quelle in der Aue,
Vivat hoch, Westfalia!
(Verfasst 1782 von Ida von Martels ; Zur Verfügung gestellt von Paul Köster)