Wildoaif
Franz harr ne Tropp Blagen, un düsse wollen faiert weeren. Abber de Tien wuren schlecht und de Pännege knapp. Sunndages ne Brooën – dät gaffte’t ment Kristdag un vellichte up Schützenfäst. Do konn me schon verstohn, wann de Luë jainthand innen Beärg gengen un sick en Brooën hällten. Ick moaine, wann se af un tai mol wilderten. Dät wur wuohl verboën, un me mochte uppassen, dät me van deäm Groinen nit eschnappet wur. Abber in deär Nait frittet de Duibel Floaigen.
Franz harr in deär Nacht vär Fronleyknam ’nen störegen Bock schuoten. Weyl’e eähme abber te schwor wur, mocht’e ne liggen loten. Am anderen Muorgen unger der Froihmisse toh’e mit seynem Handwagen innen Speckswinkel, latte deän Bock up un decker ne mit Eärftenbraken tai.
Doch bo’e grade öit’em Beärg kam, beäme lofft’e innen Hals? Deäm Kavalier!
„Dä, nöi isset verbey, nöi heät’e mick,“ dachte Franz.
Abber bat woll hoai maken? Furtlaipen konn’e nit mehr. Hoai doo sai, ere wann nix wür, gruißere fründleck un woll seynes Weäges gohn. De Kavalier abber kürte ne an un frogere:
„Na, auch schon so früh an diesem wunderschönen Morgen unterwegs? Was machen Sie denn zu dieser Zeit im Walde?“
„Ick, ick,“ stutterte Franz, „Ick häbbe mey Erftenbraken halt. Gistern sin ick nit detai kummen.“
„So, so. Und was haben Sie unter dem Erbsenreisig?“
Nöi helpet ment nai de Wohrhoait, dachte Franz, doo ne doaipen Söcht, vergat et Plattküren un saggte:
„Sie werden es nicht glauben, Herr Graf, dort hab’ ich einen Bock.“
Nöi wur’t röit, un Franz soh sick all im Kittchen. Doch de Kavalier saggte:
„Sieh mal einer an. Humor hat der Kerl auch noch.“ nahm seynen Puister van der oainen Schullere up de andere un gong widder.
Franz abber hällte doaip Luft, konn nit gloiben, därre’t wohr wur un soh tai, dät’e noh Höise kam.
Wilddieb
Franz hatte eine Schar Kinder, und diese wollten ernährt werden. Aber die Zeiten waren schlecht und die Pfennige knapp. Sonntags einen Braten – das gab es nur zu Weihnachten und vielleicht zum Schützenfest. Da konnte man schon verstehen, wenn die Leute ab und zu in den Wald gingen und sich einen Braten holten. Ich meine, wenn sie ab und an mal wilderten. Das war verboten, und man musste aufpassen, dass man nicht von dem Förster ertappt wurde. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Franz hatte in der Nacht vor Fronleichnam einen starken Bock geschossen. Weil er ihm aber zu schwer war, musste er ihn liegen lassen. Am anderen Morgen während der Frühmesse zog er mit seinem Handwagen in den Speckswinkel, lud den Bock auf und deckte ihn mit Erbsenreisig zu. Doch als er gerade aus dem Wald kam, wem begegnete er? Dem Grafen.
„Da, nun ist es vorbei, nun hat er mich,“ dachte Franz.
Aber was wollte er machen? Fortlaufen konnte er nicht mehr. Er tat so, als wäre gar nichts, grüßte freundlich und wollte seines Weges gehen. Der Graf aber sprach ihn an und fragte:
„Na auch schon so früh an diesem wunderschönen Morgen unterwegs? Was machen Sie denn zu dieser Zeit im Walde?“
„Ich, ich“ stotterte Franz, „Ich habe mir Erbsenreisig geholt, gestern bin ich nicht dazu gekommen.“
„So so und was haben sie unter dem Erbsenreisig?“
Nun hilft nur noch die Wahrheit, dachte Franz tat einen tiefen Seufzer, vergaß das Plattsprechen und sagte:
„Sie werden es nicht glauben Herr Graf, dort hab ich einen Bock.“
Nun war es raus, und Franz sah sich schon im Kittchen. Doch der Graf sagte:
„Sieh mal einer an. Humor hat der Kerl auch noch.“, nahm sein Gewehr von der einen Schulter auf die andere und ging weiter. Franz aber holte tief Luft, konnte nicht glauben, dass es wahr war und sah zu, dass er nach Hause kam.
De Schaister
Ploigers Schaister wur nit ment in seyner Schaisterstuobe tegange, hoai geng aik genaisai ere de Schneyderschken in de Huiser un flickere dann alles, bat mit Schaihen, Schluffen odder Holschken te dain harr.
Natürleck at de Schaister dann aik in deän Huisern, bo’e grade wur. Un de Fruggens wollen sick dann nit nohseggen loten, dät se fär eähren Schaister kenne ördentlecke Trachtemente updischkern. Wann aik süss dät Schlüer wahne dünne wur.
Bo de Mutter nöi dät Eäten fär deän Schaister kuokere, kuckere de kloaine Hännes mit graiten Aigen in de Pötte, un me konn eähme ansoaihen, dät’e gerne wat mië geäten härr. Et gaffte Soppe un Töifeln mit öitgelotenem Speck un twoai graiten Heringen. Hännes loffte et Water im Möile tesammen. Dät sporte de Mutter wuohl un sai troistere eähr Sühneken un saggte:
„Nöi wachte, vellichte ittet de Mester ge nit alles. Bat’e übreg lett, dät kriss döi.“
Ploigers Schaister harr dät wuohl miëkriegen und lat’et sick schmecken. Bo’e abber deän twädden Hering eäten woll, do schriggere usse kloaine Hännes:
„Mamma, Mamma, kuck do, hoai frittet se boaide!“
De Schaister harr seynen Spässken un Hännes krag deän twädden Hering.
Der Schuster
Ploigers Schuster war nicht nur in seiner Schusterwerkstatt tätig, er ging auch genauso wie die Schneiderinnen in die Häuser und pflegte dann alles, was mit Schuhen, Pantoffeln oder Holzschuhen zu tun hatte. Natürlich aß der Schuster dann auch in den Häusern wo er gerade war. Und die Frauen wollten sich dann nicht nachsagen lassen, dass sie für ihren Schuster keine ordentlichen Mahlzeiten auftischten. Wenn es auch sonst nicht sehr viel zu essen gab. Als die Mutter nun das Essen für den Schuster kochte, sah der kleine Johannes mit großen Augen in die Töpfe, und man konnte ihm ansehen, dass er gerne etwas mit gegessen hätte. Es gab Suppe und Kartoffeln mit ausgelassenem Speck und zwei großen Heringen. Johannes lief das Wasser im Mund zusammen. Das bemerkte die Mutter wohl und sie tröstete ihren Sohn und sagte:
„Nun warte, vielleicht isst der Meister ja nicht alles. Was er übrig lässt das bekommst du.“ Ploigers Schuster hatte das wohl mitgekriegt und ließ es sich schmecken. Als er aber den zweiten Hering essen wollte, da schrie der kleine Johannes:
„Mama, Mama, guck da, er isst sie alle beide!“
Der Schuster hatte seinen Spaß und Johannes bekam den zweiten Hering.
Libori
Et mag sai ümme 1905 weäsen sien. Do droffte de kloaine Hoainrech mit seyner Mama
et oaiste Mol noh Libori noh Padderbuorn foihren. Dät wur nöi en Höisböeren, bat me sick vandage gar nit mehr värstellen kann. Mit der niggen Eysenbahn foihren – noh Padderbuorn, bo de Bischof wuhnere un im graiten Daim de Misse luos – und dann nai Liburegges, ne Kärmisse sai grait ere boaide Alme.
Muorgens fraih mit deäm Säsuhrzug forrten doai boaiden loss. Hoainrech konn’t gar nit afwachten, dät’e in deän Zug insteygen konn. Un bo’e sat un öit deäm Fenster kuckere un wachtere, dät doa Kerel mit der raien Kappe de Kelle borte, dät de Zug affoihren konn, wur’e sai glücklech wie up Weynachten. Dann gaffte’t en Ruck, un de Zug forrte los. Dät geng wuohl fixer ere mit deän Ossens noh’m Knäppen. Un eh’e sick versoh, söisern se all deär’t Road, un dann konn me all de Hoort mit der Burgruine soaihn. Hoainrech wur ganz öit deäm Huiseken, böi fixe gong alles. Hoai passere up, dät me ment nix de där gong. Alles woll’e klitzekloin tehöise seynen Süsters vertellen. Un bo se noh Büren kamen un Hoainrechsken de vielen Lue up deäm graiten Bahnsteyg soh, froger’e seyne Mama ganz bange:
„Wellt doai alle mier noh Padderbuorn? Doai passet ge gar nit alle in den Zug.“
Doch se pässen alle drin, wann aik ne ganzen Tropp stohen mochte.
„Noai, bat is dät schoine,“ saggte Hoainrech fär seyne Mama, un doai fröggere sick, dät eähr Jüngelken sain Plassoair harr.
Ment bo de Zug hinger Wewelsburg über de graite Almebrügge forrte, krag Hoainrech et mit de Angest te dain. Hoai buckere sick bey seyner Mama up de Schlüppe un woll gar nit öit’em Fenster kucken.
Wann de Brügge mol nit hält, dann söise ve in de Alme un sind alle möisedait, dachte dät Jüngelken un wur oais wier sicker un wuohlup, bo’e in Padderbuorn uppem Bahnhuobe öitsteygen konn.
Nöi abber nix wie loss noh der Kärmisse. Van weyen konn me all de Buden un ne Meygewippe soaihn. Un wann me se nit sohn härr, konn me doch dät Getöse van deän vielen Luen nit überhören. Bat wur dät en Spektakel. De billege Jakob schriggere öit vullem Halse, un use Almer Jüngelken dachte ment, bat mag doai moren hoaischk sien van seyner Schriggerigge. Alles woll Hoainrech sick bekucken, un de Mama mochte ne wuol mannegesmol toaihn, süss würen se gar nit widder kummen.
Up mol stonten se vär nem graiten Tälte. „Liliputaner“ wur in graiten Baikstaben über’n Ingang molt.
„Bat is dät dann, Mama?“
„Dät sind kloaine Lue, doai maket eähre Kamerregen, un alle bekucket sick dät un lachet,“ saggte de Mama.
Un do kamen se aik all vär’t Tält. Bat krag use Hoainrech ne Schrecken! Lue mit allen Gesichtern, abber nit grötter ere hoai sölber. De kloainen Weybeslue harren feyne Kloaire an un de Mannskerels Gehröcke ere de Kavalier sunndages in der Keärke. Un dann machten se eähre Kapriolen, danzern und tuspelten un staken de Köppe beynoain. Boai harr sai wuot all mol sohn, dachte sick Hoainrech. Abber bo de Mama mit eähme in dät Tält woll, rat Hoainrech sick van der Hand loss und loffte bat’e laipen konn. De Mama geroh ganz öit’em Ohm un härr eähr Jüngelken balle in deäm Gewältere verloren. Bo se ne wier bey der Hand harr un eähne frogere, bat’e här, gran’e un saggte:
„Mama, do well ick nit rin.“
„Abber borümme dann nit, meyn Jüngelken? Nöi greyn doch nit. Lot us doch mol kucken.“
„Noai, fär meyn Leäben gohe ick do nit rin. Doai wellt mick freäten! Ick häbbe ganz genai hort, böi doai kloaine Kerel fär dät Weyv in deäm bloen Rocke saggte: ‚Ik mag ne‘, un dobey kuckere eät noh mey!“
Alles Küren hulp nit. Hoainrech blav dobey. Un sai forrten se wier noh Höise ohne de Liliputaner te soaihn.
Hoainrech mochte sick abber nai fake anhören: „Ik mag ne!“
Libori
Es mag so um 1905 gewesen sein. Da durfte der kleine Heinrich mit seiner Mama zum ersten Mal zu Libori nach Paderborn fahren. Das war ein großes Ereignis, was man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Mit der neuen Eisenbahn fahren – nach Paderborn, wo der Bischof wohnte und im großen Dom die Messe feierte- und dann noch Libori, eine Kirmes so groß wie beide Alme. Morgens früh mit dem 6:00 Uhr Zug fuhren die beiden los. Heinrich konnte gar nicht abwarten, dass er in den Zug einsteigen konnte. Und als er saß und aus dem Fenster schaute und wartete, dass der Mann mit der roten Kappe die Kelle hoch hob, dass der Zug abfahren konnte, war er so glücklich wie auf Weihnachten. Dann gab es einen Ruck, und der Zug fuhr los. Das ging wohl schneller als mit den Ochsen zum Kneppen und ehe er sich versah, fuhren sie schon durchs Ried und dann konnte man schon die Harth mit der Burgruine sehen. Heinrich war ganz aus dem Häuschen wie schnell alles ging. Er passte genau auf damit ihm nichts dadurch ging. Alles wollte er haargenau zu Hause seinen Schwestern erzählen. Und als sie nach Büren kamen und Heinrich die vielen Leute auf dem großen Bahnsteig sah, fragte er seine Mama ganz bange:
„Wollen die alle mit nach Paderborn? Die passen gar nicht alle in den Zug.“ Doch sie passten alle hinein, wenn auch eine ganze Anzahl stehen musste.
„Nein, was ist das schön,“ sagte Heinrich zu seiner Mama. Die freute sich, dass ihr Junge eine solche Freude hatte. Nur als der Zug nach Wewelsburg über die große Almebrücke fuhr, bekam Heinrich es mit der Angst zu tun. Er verbarg sich bei seiner Mama im Schoß und wollte gar nicht aus dem Fenster gucken. Wenn die Brücke mal nicht hält, dann fallen wir in die Alme und sind alle mausetot, dachte der kleine Junge und war erst wieder sicher und wohl auf, als er in Paderborn auf dem Bahnhof aussteigen konnte.
Nun aber nichts wie los nach der Kirmes. Von weitem konnte man schon die Buden und die Schiffschaukeln sehen. Und wenn man sie nicht gesehen hätte, konnte man doch den Lärm von den vielen Leuten nicht überhören. Was war das für ein Spektakel! Der billige Jakob schrie aus vollem Hals und unser Almer Junge dachte nur, was mag der Morgen heiser sein von seiner Schreierei. Alles wollte Heinrich sich anschauen, und die Mama musste ihn wohl manchmal hinter sich herziehen, sonst wären sie gar nicht weitergekommen. Auf einmal standen sie vor einem großen Zelt. LILIPUTANER war in großen Buchstaben über dem Eingang gemalt.
„Was ist das denn Mama? „Das sind kleine Leute, die machen ihre Kunststücke und alle gucken sich das an und lachen.“ sagte die Mama.
Und da kamen sie schon alle vors Zelt. Was bekam unser Heinrich einen Schrecken. Leute mit alten Gesichtern, aber nicht größer als er selber. Die kleinen Frauen hatten feine Kleider an und die Männer Gehröcke wie der Graf sonntags in der Kirche. Und dann machten sie ihre Scherze, tanzten und redeten und steckten ihre Köpfe zusammen. Wer hatte sowas schon mal gesehen, dachte sich Heinrich. Aber als die Mama mit ihm in das Zelt wollte, riss Heinrich sich von der Hand los und lief was er laufen konnte. Die Mama geriet ganz aus dem Atem und hätte ihren Sohn bald in dem Gedränge verloren. Wo sie ihn wieder bei der Hand hatte und fragte, was er habe, weinte er und sagte
„Mama da will ich nicht rein!“ „Aber warum nicht mein Junge? Nun wein doch nicht und lass uns doch mal schauen.“
„Nein für mein Leben gehe ich nicht da hinein. Die wollen mich fressen. Ich habe ganz genau gehört, als der kleine Mann zu der Frau in dem blauen Rock sagte, ich mag ihn und dabei sah sie nach mir.
Alles Reden half nicht. Heinrich blieb dabei. Und so fuhren sie wieder nach Hause, ohne die Liliputaner zu sehen.
Heinrich musste sich aber noch oft anhören „Ich mag ihn!“…
Mitschnitt der Sendung „Do biste Platt“ vom 14.08.2017 (mit freundlicher Genehmigung der HOCHSAUERLANDWELLE , Herr Hiegemann)
Weitere Texte und Sprachbeiträge in Almer Platt finden Sie auch im
(Nr. 29 Beiträge von Caspar Lahme)